Mit dem Velo durch das Elsass und den Jura |
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Es ist eine schicksalshafte Woche für die Schweiz: Der Fussballclub Thun schafft es in die Champions League (und das schreibt ein an sich gänzlich Fussball-uninteressierter), viele Gebiete gehen regelrecht im Hochwasser unter und Aldi und ich unternehmen wieder einmal eine gemeinsame Velotour. Zu unserem Glück haben wir dafür eine der wettermässig besten Regionen ausgesucht, so dass wir das Gummiboot zu Hause lassen konnten ...was allerdings nicht heissen will, dass wir nicht nass geworden wären. Doch alles der Reihe nach:
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21.08.2005
(alle Angaben beruhen auf Wilus Daten)
Das Wetter könnte besser sein, als wir zu unserer Tour aufbrechen. Dass wir allerdings schon wenige Minuten später unsere Regenkleider anziehen, hätten wir nicht gedacht. Kurz vor Bellelay beschliessen wir, im Unterstand einer Bushaltestelle eine Suppe zu kochen. Diese wärmt ein wenig und hebt die Stimmung. Bald darauf geht's weiter, hinunter nach Undervelier. Leider sehen wir wegen Regen und Nebel nicht viel von der vermutlich ziemlich schönen Schlucht. Wilu kämpft zudem mit seiner immer stärker beschlagenen Brille. Schliesslich fährt er ab Undervelier ohne Brille weiter, weil die Sicht dann ein bisschen besser ist (wer ihn kennt, weiss, dass dies immer noch ziemlich gefährlich für seine nähere Umgebung ist ;-) ). Ziemlich durchnässt betreten wir in Laufen das Restaurant Zemp. Die Kleider wandern zum trocknen in die Garderobe und wir widmen uns wenig später zwei Tellern mit goldbrauner Rösti. Zu unser grossen Überraschung und Freude spendiert uns die Serviertochter vor der Weiterfahrt zwei Sandwiches als Proviant :-). In Zwingen suchen wir in der Dämmerung ein Plätzchen um das Zelt aufzustellen. Wir schieben unsere Fahrräder einen steilen Waldweg hoch, in der Hoffnung, irgendwo eine flache Stelle zu finden. Der Weg scheint endlos. Als wir sein Ende doch noch finden, befinden wir uns auf einer Kreuzung; hinter uns der Wald, vor uns weite Felder und zu unserer Linken eine Scheune. Da hält ein Auto genau neben uns an, und der Landwirt, der aussteigt fragt uns, ob wir jemanden suchen. Wir antworten, dass wir nicht auf der Suche nach einer Person seien, sondern nach einem geeigneten Plätzchen um das Zelt aufzustellen. Umgehend bekommen wir drei Möglichkeiten angeboten, von denen wir schliesslich die Trockenste wählen. Und so errichten wir unser Nachtlager in einem "Folienschopf", eine Art überdimensionales Zelt, um landwirtschaftliche Geräte, Fahrzeuge et cetera unterzustellen. Wir wählen also zugegebenermassen die Weicheier-Variante - dafür müssen wir am nächsten Morgen kein nasses Zelt einpacken.
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22.08.2005
Wir reiten noch ein wenig weiter auf der Weicheier-Welle: Das Aufstehen erweist sich als extreeeeeem anstrengend. Aldi kränkelt zudem ein wenig und beklagt sich über leichtes Halsweh. Zusammen mit dem anhaltenden Regen ist dies Grund genug, einen Ruhetag einzulegen. Und das nach lediglich einem Tag Fahrens! Wenn wir so weiter machen, müssen wir die Tour aus Zeitgründen abbrechen, bevor wir das Elsass überhaupt erreicht haben. Was tut man eigentlich, wenn man einen ganzen Tag lang nichts zu tun hat? Erst mal noch ein wenig weiterdösen. Gegen Mittag erscheint der Bauer vom Vortag und lädt uns zum Mittagessen ein. Wir freuen uns über feine Nudeln mit Salat, gegarten Karrotten und Fleisch. Und zu guterletzt rundet eine Studentenschnitte das wohlschmeckende Mahl ab :-). An dieser Stelle nochmals ein herzliches DANKESCHÖN für die tolle Gastfreundschaft! Am Nachmittag vertreiben wir uns die Zeit mit Türmchen bauen und mit dem Geographiespiel. Sehr beliebt ist während der ganzen Reise auch ein Spiel, bei welchem sich der eine Spieler einen Gegenstand ausdenkt, den der zweite Spieler erraten muss. Dazu darf er Fragen stellen, welche mit JA oder NEIN beantwortet werden können. So richtig zufrieden sind wir jedoch nicht, denn seit Mittag hat sich das Wetter gebessert und dann und wann scheint sogar die Sonne zwischen den Wolken durch. Das wäre eigentlich ganz toll, doch lohnt es sich nun nicht mehr wirklich, das Zelt abzubauen und das ganze Gepäck zu verstauen, nur um in ein paar wenigen Stunden die ganze Übung mit umgekehrten Vorzeichen erneut durchzuführen. Immerhin raffen wir uns schliesslich auf, wenigstens mal den holperigen Waldweg hinunter zu rasseln um anschliessend ein geteertes Strässchen wieder hoch zu fahren. Wilu macht noch einen kleinen Abstecher über einen matschigen Feldweg. Es sind zwar nur etwa 50m, doch die haben es in sich: Zum einen stellt der rutschige Untergrund beim Befahren eine echte Herausforderung dar, zum andern bleibt er wunderbar am Velo kleben. Deshalb ist wenig später eine Putzaktion angesagt. Auch Aldi mecht an seinem Velo rum und befreit die Bremsgummis von Aluspänen (es war also wirklich nötig!).
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23.08.2005
Eigentlich wollten wir ja partout nicht durch Basels Stadtzentrum fahren. Und genau da landen wir schliesslich... Wir bereuen es allerdings nicht, denn die Ambiance gefällt uns sehr. Der Rhein ist wegen der Unwetter ockerfarbig und führt etliches an Schwemmholz mit. Verglichen mit den Zuständen in der Zentralschweiz ist er jedoch noch ziemlich harmlos - über die Ufer vermag er jedenfalls noch nicht zu treten. Es ist schon ein etwas seltsames Gefühl, "mitten in der Stadt" einen Grenzübergang zu passieren. Sofort sind ein paar Unterschiede zwischen französischem und schweizerischem Gebiet auszumachen. Ich spreche nicht nur davon, dass es plötzlich von Werbeschildern nur so wimmelt und alles auf französisch angeschrieben ist. Auch die Piktogramme präsentieren sich in ungewohnter Form... Aldi freut sich schon seit langem auf die Rheinebene. Nun ist sie da, und er freut sich immer noch. Wilus Begeisterung fällt kleiner aus, doch auch er findet es hier recht gemütlich. Der Weg ist gesäumt von etlichen Industrieruinen, welche auf ihre Weise auch sehr reizvoll sind. Und wenn man dann in Bartenheim so einen Kreisel vorfindet, dann ist klar: Diese Leute wissen, was Selbstironie heisst. Nach Sierentz bereiten wir uns auf einem Feldweg das Mittagessen zu. Da Aldi eigentlich stets schneller als Wilu fahren würde, vereinbaren wir, dass er als erster losfährt und mal so richtig Gas geben kann, während Wilu noch das Kochzeug verstaut. In Rixheim wollen wir uns wieder treffen. Dies gelingt uns schliesslich auch, allerdings nicht auf Anhieb. Erst müssen wir uns nämlich an die französische Signalgebung gewöhnen. So zweigt Wilu nach Eschentzwiller ab und merkt erst kurz vor dem Dorfeingang, dass er sich damit auf dem Holzweg befindet. Allerdings ist er danach im Gegensatz zu Aldi sofort misstrauisch, als der Wegweiser einer Umleitung in die gefühlsmässig falsche Richtung zeigt. Das Fazit ist klar: In Zukunft fahren wir nach dem Motto "immer der Nase nach" ;-). Da wir etwas knapp in der Zeit sind, umfahren wir Mulhouse südlich (diesmal gelingt uns die Umfahrung). Bei Illfurth bedarf es einer kurzen Diskussion, bis allen beteiligten klar ist, woher wir gekommen sind und wohin die Weiterfahrt geht. Einem wunderschönen und praktisch verkehrslosen Strässchen folgend gelangen wir nach Heidwiller. Wenig später zweigen wir in einen Waldweg ab und errichten unser Nachtlager. Schnell noch einen kleinen Happen essen vor dem Schlafengehen ...haben wir uns gedacht. Schliesslich kippen wir uns je einen ganzen Liter Milch in den Rachen und hoffen, das wir nachts nicht auf die Toilette müssen. Und am nächsten Morgen gibt's halt wieder mal Kondensmilch...
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24.08.2005
Am Vormittag fahren wir entlang des Canal du Rhône au Rhin nach Dannemarie, wo wir wie üblich in einem "Super U" unsere Einkäufe tätigen. Nach einer kleinen Zwischenmahlzeit setzen wir die Fahrt in Richtung Suarce fort. Dabei gelangen wir in ein Gebiet mit vielen kleinen Wasserflächen. Darauf hat sich Wilu am meisten gefreut. Und so erstaunt es nicht, dass wir das Mittagessen am Ufer eines lauschigen Tümpels zwischen Suarce und Faverois zubereiten. Nach dem Kochen verbringen wir ziemlich viel Zeit an diesem friedlichen Ort und hängen einfach etwas rum. Das heisst, Aldi ist am faulenzen - Wilu pirscht sich mit der Camera bewaffnet an Libellen und Heuschrecken. Via Delle und Beaucourt fahren wir am Nachmittag nach Audincourt. Es ist bereits wieder Essenszeit, als wir in die Ortschaft einfahren. So lassen wir uns in einer Pizzeria verköstigen, bevor wir die Lichter dieser Stadt am Doubs hinter uns lassen und uns beim Eindunkeln einen relativ langen Anstieg hochkämpfen. Es ist einfach schön ...findet vor allem Wilu, der sich darüber freut, dass es jetzt wieder in die Hügel geht. Diese Nacht wollten wir eigentlich noch diesseits der Grenze verbringen. Mangels eines geeigneten Plätzchens wird jedoch nichts daraus und wir be"treten" wieder schweizer Boden. Nach Fahy zweigen wir nach links ab und versuchen unser Glück in einem Waldstück. Zuerst erkunden wir das Terrain zu Fuss. Als wir eine geeignete Stelle für das Errichten des Zelts gefunden haben, markiert Wilu mit seiner Präsenz die genaue Stelle und Aldi holt sein Velo. Da ist plötzlich ziemlich eindrücklicher Motorenlärm zu hören, dazu eine Stimme, welche hin und wieder in den dunklen Wald zu rufen scheint. Das ganze erinnert Wilu stark an militärische Nachtübungen, was uns dazu bewegt, das Feld zu räumen und einen ruhigeren Ort zu suchen. Den finden wir später auch. Ohne den leistesten Mucks eines Motors zu hören bauen wir das Zelt auf und gehen schlafen. Wir liegen also zufrieden in unseren Penntüten und wollen langsam ins Reich der Träume entschweben, da scheint unweit von uns der grosse Krieg auszubrechen. Durch die Dunkelheit hallen die Schüsse von Gewehren und grösseren Kalibern, die ganze Nacht lang...
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25.08.2005
Gut erholt erwachen wir am nächsten Morgen und bekommen auch gleich Besuch. Wärhend der alte Mann darüber staunt, dass jemand sein Zelt hier aufstellt, sind wir erstaunt, dass sich jemand in diesen hässlichen Fichtenforst verirrt. Dies ist der schräge Anfang eines schrägen Tages. Und es geht gleich weiter; beim Zusammenräumen fällt Wilus Fahrrad zwei mal zur Seite. Dabei segnet der bereits zwei mal geflickte Rückschpiegel definitiv das Zeitliche. Jedenfalls fast. Mit Gewebeklebband (oder Erkka, wie der Finne sagt) kann man die Überreste so fixieren, dass der Spiegel noch ein Weilchen brauchbar sein wird. Und wie allgemeinhin bekannt sein dürfte, hält nichts länger als ein Provisorium. Zurück auf der Hauptstrasse finden wir übrigens die Erklärung für die nächtliche Ballerei: Wir haben sozusagen vis-à-vis eines Waffenplatzes übernachtet. Unser Weg führt uns zunächst nach Porrentruy. Wir kaufen Ansichtskarten und installieren uns beim Bahnhof, wo wir viel Zeit mit kartenschreiben verbringen. Uns scheint, es habe viele Jugendliche, welche ihre Zeit mit rumhängen verbringen. Zugegeben, dies ist ziemlich ansteckend... Obwohl sich die Wetterprognosen nicht schlecht präsentieren, setzt Regen ein. Hocherfreut ziehen wir wieder mal unsere Regenkleider über, bevor wir uns in die Sättel schwingen. Moment, erst kaufen wir etwas Proviant ein, essen rasch einen Happen und hängen noch ein wenig rum. Schliesslich sind wir ja in Porrentruy. Es giesst also immer noch, als wir die Weiterfahrt antreten. Zudem weht der Wind nicht unbedingt zu unseren Gunsten. Dies reicht jedoch noch nicht; nach Cornol erwartet uns eine ansehnliche Steigung. Zumindest mit unserem Gepäck sind die 10% nicht gerade ein Zuckerschlecken. Bei Malcôte streikt der Freilauf von Aldis Velo kurz; die Cassette dreht auch dann weiter, wenn Aldi nicht mehr tritt. Glücklicherweise löst sich das Problem aber nach kurzer Zeit von selber. Für kurze Zeit lässt sogar der Regen nach. Leider nur für kurze Zeit. Da kommt uns das Restaurant "La Caquerelle" gerade recht gelegen. Obwohl wir an diesem Tag noch nicht einmal 25km zurückgelegt haben, nehmen wir in der warmen Stube Platz und stillen unseren Hunger. Das feine Essen ist der bisherige Höhepunkt des Tages. Wieder draussen, müssen wir feststellen, dass sich das Wetter nicht verändert hat. Stimmt nicht ganz; zum Regen gesellt sich nun auch der Nebel... Was soll's, wir finden uns damit ab und so stellt auch der Gegenwind keinen Weltuntergang dar. Etwa 10km möchten wir noch zurücklegen, ehe wir einen Platz für das Übernachten suchen wollen. Geeignete Plätze sind jedoch Mangelware, und so fahren wir noch ein Stück weiter und weiter. Wegen des Nebels sehen wir zwar von der Landschaft nicht allzu viel. Das bisschen, das wir sehen, lässt jedoch auf eine sehr schöne, ziemlich verlassene Gegend schliessen. Wenn wir nur endlich eine Stelle zum zelten finden würden! Entweder ist das Gelände zu steil, oder es ist eingezäunt. So ist unsere Suche auch nach Einbruch der Dunkelheit noch nicht von Erfolg gekrönt. Bei einer längeren Abfahrt (man hat das Gefühl, man werde vom Regen im Gesicht "sandgestrahlt") stellt Aldi bei der vorderen Felge ein Problem fest. Zuerst befürchten wir, dass sie hinüber ist (es wäre ja nicht das erste Mal). Doch zum Glück stellt sich heraus, dass sich lediglich ein Aluspan in die Flanke gebohrt hat. Eine kleine Sache, die schnell behoben ist. In Bémont versuchen wir unser Glück in der Jugendherberge. Diese hat jedoch bereits geschlossen, was uns einmal mehr zur Weiterfahrt zwingt. In Saignelégier biegen wir nach links ab und fahren in südöstlicher Richtung weiter, bis wir schliesslich zu unserer Linken einen Campingplatz finden. Da wir auch hier erst nach Betriebsschluss eintreffen, hinterlassen wir unmittelbar nach dem Aufstellen des Zeltes eine Notiz bei der Réception, wonach wir am folgenden Morgen für die Übernachtung bezahlen werden. Und so endet für uns wenig später ein Tag, der trotz ungünstiger Rahmenbedingungen ein Highlight dieser Tour geworden ist.
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26.05.2005
Am nächsten Morgen machen wir uns natürlich gleich ans Bezahlen. Das Personal ist sehr freundlich und ausserdem wird unser Budget mit CHF 8.- für das Zelt und CHF 3.50 pro Person nicht heftig belastet. Die Weiterfahrt führt vorbei am Étang de la Gruyère (da wir die ganze Fuhre nicht unbeaufsichtig stehen lassen wollen, legen wir dort keinen Halt ein) Richtung Tavannes und schliesslich hinauf zum Col du Pierre Pertuis. Dort angekommen ist wieder einmal Essenszeit. Das Menu ist eine Neuauflage unserer heissgeliebten Yulara-Pampe (dem unwissenden Leser sei die Lektüre des Kapitels "Dingos, the Red Centre und unsere kulinarischen Höhenflüge" im Australien-Reisebericht ans Herz gelegt). Jeder Bissen ist eine Bestätigung dafür, dass es sich gelohnt hat, den 2.5kg-Kartoffelsack von Porrentruy bis hierher zu transportieren. Wir gönnen uns noch ein kurzes Mittagsnickerchen, ehe wir die abschliessende Abfahrt nach Biel unter die Räder nehmen.
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